Aktienmärkte auf Suche nach Orientierung

Aktienmärkte auf Suche nach Orientierung

 

Nach zwei Jahren Rezession fasst Euroland konjunkturell allmählich wieder Tritt. Die EU-Kommission hob zuletzt die Konjunktureinschätzung für 2014 von 1,1 auf 1,2 Prozent und für 2015 von 1,7 auf 1,8 Prozent an.

 

Dennoch bleibt die Notwendigkeit für Reformen in der Euro-Südzone groß. Das gilt insbesondere für das Euro-systemrelevante Italien, das eine Verschuldung von rund 130 Prozent des BIP angehäuft hat und bis zuletzt keine wirklichen Reformanstrengungen zeigte. Für das finanz- und wirtschaftspolitische Wohl Italiens und der Eurozone wäre es äußerst wünschenswert, dass die neue Regierung unter Ministerpräsident Renzi die angekündigten Reformen der Sozialsysteme, der Verwaltung und auf dem Arbeitsmarkt in Angriff nimmt.

 

 

Der frühere kranke Mann Europas ist heute sehr gesund

 

Zugpferd der euroländischen Konjunkturerholung ist Deutschland, das laut EU-Kommission mit 1,8 in diesem und 2,0 Prozent im nächsten Jahr robust wachsen wird. Dieses positive Bild unterstreichen auch die ifo Geschäftsdaten. Setzt man die ifo Geschäftslage deutscher Unternehmen zu den ifo Geschäftserwartungen gemäß der vier typischen Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Bezug, bewegt sich die Stimmung im deutschen Verarbeitenden Gewerbe in eine Boom-Phase hinein.

 

Dieses Stimmungshoch wird sich typischerweise schließlich auch in den harten Fundamentaldaten niederschlagen. Regelmäßig nach sechs Monaten folgen auf verbesserte ifo Geschäftserwartungen auch sich erholende Gewinne deutscher Unternehmen.

 

Damit erhalten deutsche Aktien neben der geldpolitischen Rückendeckung auch verstärkt fundamentale Unterstützung. Ein valider Indikator für die verbesserten realwirtschaftlichen Aussichten ist die seit 2009 im Trend anhaltende Outperformance des konjunktur- und exportsensitiven Aktienindex MDAX gegenüber dem deutschen Aktienleitindex DAX, die sich nach einer kleinen Unterbrechung im Herbst aktuell weiter fortsetzt. Zu Zeiten der Asien-Krise ab 1997 und der geplatzten Dotcom-Blase sowie im Rahmen der geplatzten Immobilienblase ab 2008 zeigte sich jeweils in Vorahnung auf schwächere, wirtschaftliche Bedingungen eine klare Underperformance von MDAX zu DAX. Eine ähnliche konjunkturelle Malaise signalisiert insofern die aktuell positive Wertentwicklung des MDAX im Vergleich zum DAX nicht.

 

Die deutsche Wirtschaft glänzt vor allem mit einer ungebrochen starken Binnennachfrage, die sich längst als zweites Standbein neben dem Export etabliert hat. Der deutsche GfK Konsumklimaindex und der Index der Anschaffungsneigung notieren auf dem höchsten Niveau seit 2006. Neben der stabilen Lage auf dem Arbeitsmarkt und realen Einkommenszuwächsen hat hieran sicherlich auch die anhaltende Niedrigzinsperspektive ihren Anteil, die das Sparen unattraktiv macht.

 

 

EZB ready to act

 

Da die Konjunkturstimmung in der Eurozone insgesamt noch nicht an die in Deutschland heran reicht und sich zumindest in der Euro-Südzone Disinflationstendenzen hartnäckig halten, sind die geldpolitischen Erwartungen an die EZB weiter hoch.

 

Zwar haben sich die offiziellen Inflationsraten insbesondere in Italien & Co. zuletzt stabilisiert. Der allgemeine Inflationstrend in der Euro-Südzone ist seit Mitte 2011 jedoch klar abwärts gerichtet. In Spanien, Portugal und Irland liegt die Preissteigerung an der Nullgrenze und Griechenland befindet sich bereits seit Anfang 2013 in der Deflation.

 

Deflation ist das Grundübel der Volkswirtschaft, da Käufe von Produkten und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen kontinuierlich in die Zukunft verschoben werden, weil sie immer günstiger werden. Diesen deflationären Schock musste die japanische Volkswirtschaft langjährig erdulden und hat dafür mit einer Radikalschrumpfung des japanischen Mittelstands einen sehr hohen Preis bezahlt. Insofern dürfte Mario Draghi auf der Sitzung der EZB in der nächsten Woche deutlich machen, dass die Notenbank im Bedarfsfalle geeignete Abwehrmaßnahmen ergreifen wird. Außer Verbalintervention sind zwar noch keine konkreten geldpolitischen Schritte zu erwarten. Aber in einem ersten Schritt könnte die EZB immerhin die Sterilisierung der von ihr 2011 zur Beruhigung der euroländischen Staatsanleihenmärkte in beschränktem Umfang aufgekauften Staatstitel einstellen. Die damals begonnene Bereitstellung von Liquidität wurde dem Markt regelmäßig wieder von der EZB entzogen. Diese geldpolitische Maßnahme käme einer Nettoliquiditätszufuhr von rund 175 Mrd. Euro gleich.

 

 

Deutsche Berichtsaison unterstreicht konjunkturelle Stabilität

 

Laut Nachrichtendienst Bloomberg konnten 69 Prozent der bisher berichtenden Unternehmen gewinnseitig überraschen. BASF konnte dank höherer Absätze im Öl- und Gasgeschäft sowie solider Chemieumsätze ein Gewinnplus von gut 16 Prozent zum Vorjahresquartal erwirtschaften. Der Ausblick für 2014 fällt dank einer anziehenden Weltwirtschaft als Positivfaktor verhalten zuversichtlich aus. Optimistisch zeigt sich auch Bayer und rechnet für 2014 mit einer weiteren Verbesserung bei Umsatz und Gewinn. Nachdem der Gesundheitskonzern Fresenius für 2013 ein Rekordergebnis - ein Gewinnplus von 12 Prozent zum Vorjahr - verbuchen konnte, fällt der Ausblick für 2014 vorsichtiger aus. Der Gewinn soll nur noch um zwei bis fünf Prozent zulegen, was vor allem auf schwächere Erträge der Tochter Fresenius Medical Care zurückzuführen ist. Der Versicherungskonzern Allianz sieht sich für 2014 gut aufgestellt und stellt ein Gewinnplus von bis zu vier Prozent in Aussicht.

 

 

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

 

Die politischen Irritationen in der Ukraine sind eine exogene, schwer einzuschätzende Gefahr für die internationalen Aktienmärkte. Eine tatsächliche militärische Eskalation scheint aber wenig wahrscheinlich zu sein. Grundsätzlich zählt die Ukraine nicht zu den bedeutenden Schwellenländern. Insgesamt sollten also auch diese politischen Börsen kurze Beine haben.

 

Die konjunkturelle Stabilisierung und eine international um Krisendeeskalation bemühte Geldpolitik sollten die positive Oberhoheit über die Finanzmärkte bald zurückgewinnen. Zunehmende Volatilitäten müssen die Anleger aber dennoch aushalten

 

Charttechnisch hat der DAX weitere Kurschancen, sollte der Widerstand bei 9.696 Punkten durchbrochen werden. Dann dürfte das bisherige Jahreshoch bei 9.794 Punkten in Angriff genommen werden. Darüber wartet die nächste wichtige Barriere im Bereich um 10.000.

 

Sollte der DAX im Rahmen seiner volatilen Entwicklung die Unterstützung zwischen 9.500 und 9.480 Punkten durchbrechen, ist eine Korrektur bis 9.340 Punkte einzukalkulieren. Darunter gibt der mittelfristige Aufwärtstrend bei derzeit 9.191 Punkten Halt.

 

 

Das passiert in der nächsten Woche

 

Auf Unternehmensebene geht die deutsche Berichtsaison für das Schlussquartal 2013 in die nächste Runde. Gemäß der bereits im September veröffentlichten Gewinnwarnung dürfte adidas das Jahr ohne Überraschungen beenden. Im Ausblick des Automobilzulieferers Continental kommen freundlichere Perspektiven für die Automobilindustrie zum Ausdruck. Beim Konsumgüterhersteller Beiersdorf sollten sich eine robuste Nachfrage aus den Schwellenländern sowie die allmählich anziehende Konjunktur in Westeuropa bemerkbar machen. Die Deutsche Telekom dürfte den Preisdruck auf dem hart umkämpften Mobilfunkmarkt spüren. Der Pharmahersteller Merck wird von Erfolgen beim Konzernumbau und von der Nachfrage aus den Schwellenländern profitiert haben. Von negativen Währungseffekten aus den Schwellenländern dürften alle genannten Unternehmen betroffen sein. Im Quartalsergebnis von RWE spiegeln sich weiterhin die gravierend negativen Folgen der Energiewende wider.

 

Auf Makroebene dürfte ein weiterer Rückgang des Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China - wenn auch weiterhin Expansion anzeigend - die Unsicherheit über die Entwicklung in den Schwellenländern aufrecht erhalten.

 

In den USA verdeutlicht ein sich stabilisierender ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe, dass der Aufschwung der US-Wirtschaft voranschreitet. Dieses Bild dürfte auch der Konjunkturbericht (Beige Book) der US-Notenbank widerspiegeln. Die Auftragseingänge in der US-Industrie sollten zuletzt zwar noch unter dem harten Winter gelitten haben, doch der deutliche Rückgang in den Vormonaten dürfte sich nicht wiederholt haben. Ein Absinken der US-Arbeitslosenquote auf den geldpolitischen Zielwert von 6,5 Prozent könnte trotz der von der Fed im Vorfeld betriebenen Verbalentkräftung dieser Schwelle zu einem Anstieg der Volatilität an den Aktienmärkten führen.

 

In Euroland gilt die Aufmerksamkeit der Anleger der anstehenden EZB-Sitzung. Insbesondere die erstmals veröffentlichten Konjunkturprojektionen für 2016 dürften die Finanzanleger auf Hinweise für die zukünftige Geldpolitik abklopfen

 

In Deutschland verdeutlichen die Auftragseingänge der Industrie sowie die Industrieproduktion, dass sich der Wachstumskurs der deutschen Wirtschaft verstetigt.

 

 

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.roberthalver.de
 

 

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