Hoher Unterhaltungswert bei Goldman Sachs-Quartalszahlen

von Michael Vaupel

*** Als Zertifikate-Trader beschäftige ich mich auch mit der „wirtschaftlichen Lage der Herausgeber der Zertifikate".

Ist klar: Denn was nützt das schönste Zertifikat, wenn der Emittent Pleite geht?

Vor ein paar Tagen präsentierte der große Emittent Goldman Sachs seine Quartalszahlen.

Und unerwartet hatten diese durchaus hohen Unterhaltungswert.

Der Reihe nach:

Im ersten Quartal (Januar, Februar, März) verdiente Goldman Sachs 1,8 Milliarden Dollar, oder 3,39 Dollar je Aktie. Das klingt ordentlich, und beruhigend, wenn man Zertifikate von Goldman Sachs hat!

Diesen Gewinn wollte ich mit dem Vorquartal vergleichen. Dabei auffallend: Bis 2008 hatte Goldman Sachs ein Geschäftsjahr, welches vom Kalenderjahr abwich. So endete im Geschäftsjahr von Goldman Sachs das vierte Quartal am 30. November 2008. Als sich Goldman Sachs im letzten Jahr von einem Brokerhaus zu einer Bankholding umwandelte, änderte sich auch das Geschäftsjahr.

Es gibt also sozusagen einen „Stiefkind-Monat", nämlich den Dezember. Der taucht nicht im vierten Quartal 2008 von Goldman Sachs auf (eben weil da noch nach dem alten Geschäftsjahr aufgeteilt wurde) - und im ersten Quartal 2009 taucht er natürlich auch nicht auf (da wird sich nach dem Kalenderjahr gerichtet).

Also ist dieser Dezember 2008 im Grunde „nicht vorhanden" - was die Quartalszahlen von Goldman Sachs betrifft. (Wenn es so einfach wäre; den Dezember 2008 könnte ich dann durchaus auch gerne als „nicht vorhanden" betrachten, da ich da einige Probleme hatte.)

*** Da ahnte ich etwas.

Und ich verschaffte mir weitere Informationen zu diesem Dezember 2008.

Und was sah ich da? Der Dezember war vollgestopft mit Abschreibungen.

Goldman Sachs stopfte in diesen „nicht vorhandenen" Monat Wertberichtigungen auf Positionen, so wurden z.B. 525 Millionen aus dem Immobiliengeschäft abgeschrieben. Weitere 825 Millionen wurden für die Beteiligung am insolventen Chemieriesen Lyondell Basell abgeschrieben. Insgesamt führte das dazu, dass Goldman Sachs im Dezember 2008 einen Vorsteuer-Verlust von 1,3 Milliarden Dollar hinnehmen musste.

Aber hat ja außerhalb der Traders Daily-Gemeinde kaum jemand mitbekommen - der Dezember 2008 war bei Goldman Sachs ja ein „nicht vorhandener Monat"! Und die Schlechtigkeiten, welche in diesem Monat passierten, braucht man ja nicht an die große Glocke hängen, oder?

Eine Frage bleibt:

Was würde der Gründer von Goldman Sachs zu dieser Vorgehensweise sagen - wäre dies in seinem Sinne?

Die Zeit wird knapp, der Versandtermin naht....diesen Gedanken führe ich morgen weiter.

Jedenfalls sind die Schlagzeilen („Goldman Sachs mit 1,8 Mrd. Dollar Gewinn im ersten Quartal") manchmal irreführend...wenn man von „Stiefkind-Monaten" weiß...

Bleiben Sie wachsam!

Ihr

Michael Vaupel