Kapitalmarkt-Sommer 2014: Erst einmal verschnaufen!

Kapitalmarkt-Sommer 2014: Erst einmal verschnaufen!

 

Die letzten Konjunkturdaten haben die Aktienmärkte fundamental kalt erwischt: Die letzten Indikatoren - deutsche Industrieproduktion, euroländische Einkaufsmanagerindices, ifo Geschäftsklimaindex - gaben nach. Die jahresanfänglichen Wirtschaftsprobleme der Schwellenländer, der Konflikt in der Ukraine und Befürchtungen über eine eingeschränkte Ölversorgung aus dem Nahen Osten hinterließen ihre Bremspuren. Für „Konjunkturdämmerung“ ist aber kaum Platz. Nach einer Eintrübung zu Jahresbeginn deutet der von JP Morgan veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das weltweite Verarbeitende Gewerbe mit einem Wert von 52,7 im Juni nach 52,1 im Vormonat eindeutig auf eine Stabilisierung hin. Hier sind die USA und Schwellenländer die maßgeblichen Treiber. Nachvollzogen wird diese Einschätzung von Industriemetallen, die im Vorjahresvergleich um elf Prozent zulegen.

 

Auf verbesserte Konjunkturaussichten deutet auch das Unternehmensergebnis des weltgrößten Aluminiumproduzenten Alcoa - typischerweise ein harter Konjunkturzykliker - im Rahmen der beginnenden Berichtsaison für das II. Quartal hin. Alcoa konnte dank gestiegener Aluminiumpreise sowie soliden Geschäften mit Alufelgen und Flugzeugrümpfen eine deutliche Nettogewinnsteigerung bei wieder schwarzen Zahlen zeigen.

 

Konjunkturhinderliches Störfeuer der Notenbanken ist nicht zu befürchten. Denn in den USA sind Zinserhöhungen von vor- zu nachlaufenden Wirtschaftsindikatoren geworden. Laut letztem Sitzungsprotokoll der Fed werden die Zinsen erst bei nachhaltigem Wachstum und Arbeitsplatzaufbau erhöht. Noch sieht die US-Notenbank Abwärtsrisiken, so dass die erste Zinserhöhung erst später im nächsten Jahr und weitere mit geringem, kaum konjunkturschädlichem Tempo stattfinden und im Vergleich ohnehin homöopathisch ausfallen.

 

 

Was ist eigentlich mit…Italien?

 

Die italienische Wirtschaft befindet sich seit zweieinhalb Jahren in der Rezession. Dank der „Konjunkturunterstützung“ der EZB lässt der Gegenwind zumindest geldtechnisch nach. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bleibt mit einem Wert von zuletzt 52,6 in Expansion anzeigendem Terrain, hat aber dennoch etwas nachgegeben. Optimistischer zeigt sich der Dienstleistungssektor mit einem Indexwert von 53,9.

 

 

Italienische Politik: Wer reformiert, wird abgewählt oder abgesetzt

 

Die Hoffnungen der Wirtschaft ruhen auf dem neuen Ministerpräsidenten Renzi, der tiefgreifende politische sowie Strukturreformen zur nachhaltigen Förderung der italienischen Wettbewerbsfähigkeit versprochen hat. Allerdings ist das von Renzi angekündigte 1.000-Tage-Programm eine Herkules-Aufgabe. Zwar stellt er beginnend ab 1. September 2014 eine umfangreiche Privatisierung, eine Steuervereinfachung und eine Reform des Arbeitsmarktes in Aussicht. Aber schon allein die hier dringend gebotene Entbürokratisierung der Verwaltung trifft auf den Widerstand einer opportunistischen italienischen Polit-Landschaft. Seit der letzten Parlamentswahl haben 78 von 329 Senatoren die Parteizugehörigkeit gewechselt, was klare Mehrheitsverhältnisse zur Reformdurchsetzung zum Lottospiel macht. Fraglich ist auch, ob der aktuelle Polit-Pakt mit der Oppositionspartei Silvio Berlusconis hält. Ein Scheitern Renzis wie bei seinen Amtsvorgängern Monti und Letta und damit eine Konservierung der politischen Lähmung Italiens ist immer möglich.

 

Wenn alle Stricke reißen, bleibt Italien nur die „Neuinterpretation“ des Euro-Stabilitätspaktes, um die Volkswirtschaft über mehr Neuverschuldung zu stützen. Hier kommt Renzi die ab 1. Juli begonnene italienische EU-Ratspräsidentschaft sehr gelegen. Waffenbrüder werden hierbei Frankreich und Spanien sein, die unter ähnlichen Strukturdefiziten leiden. Bereits heute ächzt Italien unter einer gewaltigen Staatsverschuldung. Während diese ab 2008 gemäß unserer Projektion bis 2016 um ca. 40 Prozent zugelegt haben dürfte, bleibt bis dahin der Konjunkturzuwachs mit fünf Prozent enttäuschend.

 

 

Italienische Aktien profitieren von EZB-Dauersorgenpause

 

Angesichts des Schuldenstands und der trotz Reformermüdung geplanten Schuldenabsolution - selbst in der deutschen GroKo hat die Aufwertung des Wirtschafts- und Schwächung des Stabilitätsgedanken große Fürsprecher - muss ein die Schuldentragfähigkeit gefährdender Anstieg der Zinszahlungen als Anteil am Gesamthaushalt Italiens verhindert werden. Die italienische Staatsverschuldung beträgt bereits jetzt 135 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die „Drecksarbeit“ bleibt bei der EZB hängen, die zur Verhinderung einer italienischen Staatsschuldenkrise gezwungen wird, ihre staatsanleihedrückende Geldpolitik fortzusetzen.

 

Dank des Euro-Rettungsversprechens der EZB liegt die Rendite fünfjähriger italienischer Staatsanleihen mit 1,41 Prozent, trotz einem Standard & Poor‘s-Rating von BBB, Thailand und Mexiko liegen bei BBB+, auf dem niedrigsten Niveau seit Euro-Einführung. Die Finanzmärkte zweifeln definitiv nicht an der weiteren geldpolitischen Unterstützung.

 

Immerhin, da die systemgefährdende Euro-Staatsschuldenkrise durch den Einfluss der EZB nicht mehr virulent ist, hat der MSCI Italy Index deutlich Auftrieb erhalten.

 

 

Wie lange hält die italienische Outperformance noch?

 

Unter den euroländischen Aktienindices ist der italienische in diesem Jahr ein klarer Outperformer, sogar der beste Eurolands. Italienische Aktien profitieren von ihrem Nachholpotenzial vor allem gegenüber deutschen Aktien. Viele, insbesondere norditalienische Konzerne sind besser geführt als der eigene Staatshaushalt und gehören mit einer konkurrenzfähigen Industrie- und Konsumgüterkultur ähnlich wie eine Vielzahl deutscher Mittelstandsunternehmen zur Weltspitze. Sollte die Verbesserung der Standortqualitäten Italiens allerdings nicht beherzt umgesetzt werden, dürfte diese relative Stärke gegenüber den fundamental stärker aufgestellten euroländischen Aktienmärkten auslaufen.

 

Tatsächlich, eine Vorahnung über eine differenzierte Aktienentwicklung zeigte sich bereits in den letzten Tagen. Denn die Gerüchte um Zahlungsschwierigkeiten des portugiesischen Kreditinstituts Banco Espirito Santo haben verdeutlicht, dass von der schönen geldpolitischen Fassade blühender Landschaften der Euro-Südzone die fundamentale und finanzwirtschaftliche Realität abweicht. Das Negativimage aus der Zeit der Euro-Krise haftet insbesondere Aktien aus der Euro-Südzone immer noch an.

 

 

Aktuelle Marktlage

 

Momentan sind die Aktienbörsen in Konsolidierungslaune. Die klar vernehmliche geldpolitische Unterstützung, die in der ersten Jahreshälfte der hauptsächliche Aktientreiber war, wird während der Sommerpause weniger stark in Erscheinung treten. Es wird mehr auf fundamentale Daten geschaut. Diese sind zunächst noch durch die geopolitischen Irritationen und jahresanfänglichen Konjunkturunsicherheiten der Emerging Markets geprägt. Dies dürfte sich auch noch in der aktuellen Berichtsaison für das II. Quartal niederschlagen.

 

Das spricht für zwischenzeitliche Konsolidierungen, nicht aber für Kurseinbrüche oder gar eine Panik an den Aktienmärkten. Denn in der zweiten Jahreshälfte ist zumindest von einer weiteren Entspannung der energietechnischen Seite der geopolitischen Konflikte auszugehen. Dann wird auch fundamental geliefert. Gerade der export- und konjunktursensitive deutsche Aktienmarkt profitiert dann von der weltkonjunkturellen Stabilisierung und einem zu erwartenden, schwächeren Euro. Ohnehin wird dann die zyklische Aktienseite insgesamt die Oberhand gewinnen. Und auch - so langweilig es klingt - bleibt die Geldpolitik insgesamt ein äußerst fruchtbarer Nährboden für nachhaltig steigende Aktien.

 

 

Bankenkrise reloaded?

 

Eine Bankenkrise, die einige Marktteilnehmer anlässlich der Zahlungsschwierigkeiten des portugiesischen Finanzkonglomerats Banco Espirito Santo auf die Finanzmärkte zukommen sehen, ist nicht zu erwarten. Das Thema soll nicht kleingeredet werden. Es ist fest davon auszugehen, dass bei wirklich genauem Hinsehen auch andere Banken in den peripheren Euro-Länder ähnliche Liquiditätsprobleme haben. Die Kreditaltlasten aus der geplatzten Immobilienblase und die immer noch schwachen Konjunkturen legen keinen anderen Schluss nahe.

 

Die Risikoaufschläge 5-jähriger portugiesischer zu deutschen Staatsanleihen haben sich zuletzt bereits erhöht gezeigt und auch italienische und spanische Titel konnten sich von dieser Entwicklung nicht abkoppeln.

 

Unter normalen Umständen wäre eine euroländische Bankenkrise zu erwarten. Aber sie kann nicht stattfinden, weil sie nicht stattfinden darf. Wir leben nicht mehr in von Normalität geprägten Rahmendaten, sondern in Kriseninterventionszeiten von unbegrenzten geldpolitischen Gnaden. Wäre es nicht ein Treppenwitz seitens der EZB, wenn sie, die seit mindestens zwei Jahren die Rettung der Banken und Staatsschulden betreibt, jetzt ihre geldpolitischen Hände in den Schoß legt?

 

Es kann, darf und wird keine zweite Systemkrise in der Eurozone geben.

 

 

Charttechnik

 

Da kurzfristig der dritte Versuch, die psychologisch wichtige Marke bei 10.000 Punkten nachhaltig zu überwinden, scheiterte, ist zunächst eine Fortführung der Korrektur möglich. Tragfähige Haltelinien verlaufen im Bereich um die 9.600 und darunter bei 9.518 Punkten.

 

Im Falle einer technischen Erholung liegen die ersten Hürden bei 9.750 und darüber bei 9.838 Punkten. Überschreitet der DAX diese Widerstände, treten die nächsten Hürden bei rund 9.900 und bei 9.981 Punkten in den Vordergrund. Eine deutliche Verbesserung der technischen Situation ist erst nach einem Ausbruch über die Widerstandszone zwischen 10.033 und 10.050 Punkten zu erwarten.

 

 

Und was passiert in der nächsten Woche?

 

Im Rahmen der US-Berichtsaison für das II. Quartal werden die Wall Street-Banken Citigroup, JPMorgan, Goldman Sachs, Bank of America und Morgan Stanley von abgearbeiteten Altlasten aus Rechtsstreitigkeiten profitieren. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich das Geschäft im Investment Banking als Hemmschuh herausstellt. Die IT-Konzerne Google und Yahoo dürften über sinkende Werbepreise für Werbung auf mobilen Endgeräten klagen, während IBM und Intel Gegenwind von der Schwäche im klassischen PC-Geschäft erhalten. Die Ausblicke dürften stabiler ausfallen. Auf

 

Makroebene dürften die BIP-Zahlen für das abgelaufene II. Quartal in China Stabilisierungstendenzen unterstreichen. In den USA hält die binnenwirtschaftliche gute Stimmung mit verbesserten Einzelhandelsumsätzen und einem soliden Verbraucherindex der Universität von Michigan an. Der US-Immobiliensektor setzt seinen Aufwärtstrend mit stabilen Baubeginnen und -genehmigungen fort.

 

Ein stabiles Konjunkturbild dürfte auch der von der US-Notenbank veröffentlichte Konjunkturbericht - das Beige Book - zeichnen. Anleger dürften diesen akribisch auf Signale in punkto Leitzinsentwicklung abklopfen. Das gleiche gilt für die halbjährliche Anhörung von Fed-Cefin Yellen vor dem US-Kongress.

 

In Deutschland schaut man auf die ZEW Konjunkturerwartungen der gegenüber Unternehmen eher pessimistischen Analysten.

 

 

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.roberthalver.de
 

 

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