Updates zu Goldmans kreativer Buchführung für Griechenland: Mängel der EU-Rechnungslegung?

In den letzten Tagen sind weitere Informationen über die Unterstützung von Goldman Sachs für Griechenlands “kreative” Buchführung bekannt geworden. Bekannt heißt in diesem Fall, dass Rechercheure der Zeit in öffentlich verfügbaren Quellen fündig geworden sind (das Netz vergisst halt nichts). So hatte Nick Dunbar im Online Magazin Risk.net bereits 2003 ausführlich die Swapgeschäfte Griechenlands mit Unterstützung von Goldman Sachs dargestellt. Der Top Blog der US-Finanzszene Zero Hedge dokumentierte Anfang der Woche in einer ausgezeichneten Tiefenbohrung ebenfalls öffentlich verfügbare Informationen über die Swap-Geschäfte Griechenlands. Und auch der deutsche Blog Weissgarnix hat bereits in der letzten Woche ausführlich dargelegt, dass von der desolaten Haushaltssituation Griechenlands niemand überrascht sein konnte.

Goldman Sachs oder andere Investmentbanken haben sich bisher nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäußert. Prinzipiell muss man aber mittlerweile fragen, ob man Goldman und Kollegen hier wieder als alleinigen Buhmann ausmachen kann. Die vom Rat der Finanzminister kritisierten “griechischen Haushaltstricks” hatte niemand geheim gehalten. Nach den Berichten haben die US-Investmentbanken der griechischen Regierung geholfen, mit Hilfe komplexer Finanzinstrumente fällige Zinszahlungen in die Zukunft zu verschieben und so das Haushaltsdefizit zu schönen.

Finanzminister George Papaconstaninou hat damit am vergangenen Montag also nichts Sensationelles bestätigt. Die Geschäfte seien damals legal gewesen, zitiert die FAZ den Minister. „Griechenland war nicht das einzige Land, das sie eingesetzt hat“, sagte Papaconstantinou. Namen von Investmentbanken nannte er nicht. bazonline berichtet aber, dass sich Italien vor seinem Euro-Beitritt auf einen entsprechenden Deal mit der US-Bank JP Morgan eingelassen habe.

Zahlreiche Medien und Kommentatoren bezeichnen die eingesetzten Instrumente als windig. Dies Auffassung teile ich nicht. Bei Swapgeschäften passieren wie bei den meisten Finanzgeschäften im Prinzip ganz simple Dinge, die gern komplex verpackt werden. Es werden einfach Ansprüche auf Zahlungsströme zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien getauscht. Man kann es auch komplizierter erklären, wie etwa Rudolf Volkart im Buch Corporate Finance (Anmeldung erforderlich):

 

Ein Swap ist ein Finanzkontrakt zum Tausch von zukünftigen Cash-flows und kann auch als ein Bündel von unbedingten Termingeschäften verstanden werden. Damit lassen sich die mit Finanzierungen (oder Kapitalanlagen) verbundenen Zins- und Tilgungszahlungen (oder Zins- und Tilgungseinnahmen) hinsichtlich ihrer Abhängigkeit von Marktzins- und Devisenkursveränderungen steuern. Die gut funktionierenden Swap-Märkte erlauben es, durch Abschluss geeigneter Geschäfte laufend auf das zins- und währungsbezogene Risikoprofil eines Unternehmens einzuwirken.

Die EU will untersuchen, ob Griechenland dabei europäisches Recht gebrochen habe. Das kann man machen, herauskommen wird dabei vermutlich nicht viel. Die EU muss sich viel mehr darauf konzentrieren, das Haushaltsrecht zu überarbeiten, damit die Finanzlage öffentlicher Haushalte nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen transparent wird. Ich kenne das griechische Haushaltsrecht nicht, vermute aber es basiert auf Prinzipien der Kameralistik. In Deutschland hat der Bundestag erst im vergangenen Jahr das Haushaltsgrundsätzemodernisierungsgesetz verabschiedet und damit einen Paradigmenwechsel im öffentlichen Rechnungswesen eingeleitet (siehe dazu auch Beitrag der Gesellschaft für Internationale Rechnungslegung).

Freilich lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen, wo genau die Defizite liegen. Wie so häufig bei finanziellen und finanzpolitischen Sachverhalten, wird viel hinter Vorschriften und für die breite Öffentlichkeit schwer verständlichen Konstruktionen versteckt. Die Banken selbst schweigen natürlich zu solchen Geschäften und schimpfen intern über das Halbwissen in der Öffentlichkeit und den nicht sachgerechten Spekulationen.

In der Öffentlichkeit setzt sich unterdessen der Eindruck fest, hier gebe es Interessen, die aus unterschiedlichen Motiven eine Lage vortäuschen wollen, die so gar nicht existiert. So stellte die Süddeutsche zu Recht fest: “In der Verschleierung liegt das eigentliche Problem.” Das ist aber nicht nur ein Phänomen öffentlicher Haushaltspolitik, sondern gelebte Wirtschaftspraxis. Dies wissen natürlich die Beteiligten auf den Finanzmärkten, insbesondere die Investoren. Daher muss man sich in der Tat fragen, warum einige Akteure plötzlich so überrascht tun und sich erstaunt über die Tsatsiki-Krise zeigen. Antworten darauf hat mit Sicherheit Goldman Sachs, die wie niemand sonst die Eingeweide der weltweiten Finanzsystems kennen (siehe aktuelles Porträt Goldman in der RP). Aber bei den “Handwerkern Gottes” gehört natürlich Schweigen zum Geschäftsmodell.


Quelle: Blicklog