Wie Deutschland von der Krise in Europa profitiert

Die europäische Schulden- und Wirtschaftskrise hat insbesondere die südeuropäischen Länder deutlich im Griff und vielfach bestehen Befürchtungen, dass sich das Dilemma ausweiten könnte und auch Deutschland in den Würgegriff nimmt. Erste Unternehmen mit Absatzmärkten in Italien, Spanien, Griechenland und Portugal spüren bereits die Auswirkungen einer sinkenden Nachfrage nach ihren Produkten. Doch Deutschland profitiert momentan auch von der Krise in Europa.

Mit der Schwäche in der Wirtschaft der südeuropäischen Länder strömen auf einmal vermehrt Zuwanderer nach Deutschland und das zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland mit einem akuten Mangel an Arbeitskräften konfrontiert wird. Nicht nur in den pflegenden Berufen, im Ingenieursbereich und bei Programmierern besteht ein akuter Mangel an Fachpersonal, vielfach fehlen auch Elektroniker, Bürokaufleute, Sicherheitsleute oder Reinigungskräfte. In einer aktuellen Studie des Prognos-Institutes wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2020 rund 1,7 Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen werden. Und bis zum Jahr 2035 soll die Zahl auf rund vier Millionen steigen. Deshalb suchten deutsche Unternehmen schon vor Jahren auch im Ausland intensiv nach Personal.

Nun überrascht uns eine Flut von Einwanderern, die relativ neu für das Land ist. Vor drei Jahren noch war die Zahl derer, die Deutschland verließen, größer als die Zahle der Zuwanderer. Die Schwierigkeit die deutsche Sprache zu meistern, bürokratische Hürden, die es zu überwinden galt und andere Faktoren hatten bisher die Zuwanderung in Deutschland auf dem niedrigsten Stand unter den entwickelten Volkswirtschaften in Europa gehalten.

Aber im Jahr 2011 sprang die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland um 20 Prozent auf 958.000 Personen an. Und für das erste Halbjahr 2012 vermeldete das statistische Bundesamt eine weitere Steigerung um 15 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2011.

An Deutschland ist die europäische Krise weitgehend vorbeigegangen. Zwar musste die Wirtschaft im Jahr 2009 einen Schrumpfungsprozess von rund 5% verkraften, anschließend wuchs die Wirtschaft jedoch jedes Jahr, auch wenn im Jahr 2012 nur noch ein Wachstum von geschätzten 0,7 Prozent zu Buche stand. Dadurch erscheint Deutschland vor allem für diejenigen Menschen interessant, die sich auf der Flucht aus ihren maroden Volkswirtschaften  befinden. Die Quoten der Zuwanderer aus Griechenland, Spanien und Portugal stiegen im ersten Halbjahr 2012 um jeweils mehr als 50 Prozent. Dabei sind die Einwanderer aus Südeuropa in der Mehrzahl jung und gut ausgebildet. Vielfach verfügen sie über einen Hochschulabschluss und bereiten sich durch Sprachkurse auf eine Tätigkeit in Deutschland vor. Und so wird vielfach die Hoffnung, in Deutschland einen Arbeitsplatz zu finden, nicht enttäuscht.

Aber der größte Anteil des Zustroms von Einwanderern kommt gar nicht aus den krisengeschüttelten Regionen Südeuropas, sondern aus anderen Europäischen Regionen, insbesondere aus Polen, Ungarn und Rumänien. Aber auch der Anteil der Zuwanderer aus nichteuropäischen Ländern erhöhte sich deutlich. Migrationsforscher nennen das den „Umleitungseffekt“ und beschreiben damit das Verhalten von Migranten, die zu besseren Zeiten nach Italien, Spanien oder Großbritannien gegangen wären, nun aber auf Grund der dortigen wirtschaftlichen Lage lieber nach Deutschland kommen.

Insgesamt wird der Run nach Deutschland vielfach positiv gesehen, weil auf diesem Weg nicht nur die benötigten Fachkräfte gewonnen werden sondern durch die Jugend der Zuwanderer auch die Überalterung der Gesellschaft gebremst wird und auch die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert werden.