Dieser Tage fiel mir erneut das Buch "Die Kunst über Geld nachzudenken" von Andre Kostolany in die Hände. Zunächst fragte ich mich, ob es überhaupt wert wäre, darin zu blättern und zu lesen: die heutige Börse mit Eurokrise, Rettungsaktionen der Notenbanken, zurückgehendem Wachstum in China und der neuen Geldpolitik Japans - konnte ausgerechnet Kostolany dafür Rat bereithalten?

 

Ich schlug das Buch also auf und begann eher zufällig auf Seite 91 zu lesen: "die Wirtschaft kann man mit einem Satz erklären. So wie der ungarische Zigeunermusiker es sagt: ka Geld, ka Musik. Wer diese Erkenntnis verinnerlicht, versteht von Wirtschaft mehr als jeder geschulte Volkswirt." Und dann diskutiert Kostolany tatsächlich den Goldstandard, die Politik des stabilen Geldes (der deutschen Bundesbank) und die Rolle der Notenbanken. "Unser heutiges Wirtschaftsystem braucht gute Notenbanker, die Dirigenten der Finanzmärkte, und nicht das Goldstandardsystem. Alan Greenspan, der Chef der US-Notenbank Federal Reserve, ist ein sehr guter Dirigent. Er gibt der Wirtschaft Geld, wenn sie es braucht, und reduziert die Geldmenge, wenn zu viel Geld im Umlauf ist."

 

Wie man aus diesen Zeilen bereits entnehmen kann, hält Kostolany nichts vom Goldstandard oder einer Politik, die auf Geldwertstabilität als höchstes Ziel ausgerichtet ist. Über die EU schreibt er: "Dieser Vertrag (gemeint ist der Maastricht-Vertrag mit seinen Stabillitätskriterien) ist eine Bremse für die Konjunktur, weil er die Staaten zwingt, eine deflationistische Politik zu machen. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob die EZB eine kluge Geldpolititk wie die Federal Reserve in Amerika machen wird oder ob sie genauso stabilitätsversessen ist wie die Bundesbank. Ich wage keine Prognose ... setzen sich die Stabilitätsfalken durch, wird es kein großes Wirtschaftswachstum und keinen Abbau der Arbeitslosigkeit geben."

 

Damit war mein Interesse geweckt und ich verbrachte einige Stunden mit der Lektüre des Buches. Und obwohl ich bestimmt zum 3. oder 4.Mal darin gelesen habe, hat es mir wieder neue Anregungen verschafft und das ist ja ein Kennzeichen eines guten Buches!

 

Letztendlich habe ich beschlossen, es im Urlaub nochmals vollständig zu lesen und mir wichtige, interessante Gedanken herauszuschreiben - auf 2 Seiten komprimiert. Das wird mich sicher eine Weile beschäftigen und auch einige Mühe kosten, denn die 237 Seiten enthalten jede Menge! Aber wie bereits in diesem Blog geschrieben: etwas auf's Papier zu bringen, mit eigenen Worten, zwingt dazu, es tiefer und detaillierter zu durchdenken.

 

An dieser Stelle daher nur ein Gedankengang, der die letzten Entwicklungen an den Börsen nach der Ankündigung der FED zum "Tapering" betrifft.

 

Kostolany legt in seinem Buch dar, warum für die mittelfristige Börsentendenz die Faktoren Phantasie und Geld wichtig sind. Seiner Meinung nach sind sie viel ausschlaggebender als die fundamentalen Tatsachen (z.B. die Konjunktur). Der Faktor Geld sei der klar dominierende, er ist für die Börse der Sauerstoff zum Atmen. Insofern ist verständlich, dass eine Änderung der FED-Politik und ein möglicherweise bald reduziertes Geldangebot v.a. für institutionelle Anleger wie Banken einen Wendepunkt darstellen kann. Dabei ist bisher noch gar nichts geschehen, sondern allein das Risiko führt zu einer vorauseilenden Umsetzung (in diesem Fall: Liquidierung von Positionen um mehr Cash zu halten). Die Phantasie bzgl. weiterem Wachstum und steigender Gewinne ist derzeit ohnehin eher schwach bis gar nicht ausgeprägt, da die gängige ökonomische Theorie davon ausgeht, dass verschuldete Staaten und Ökonomien nur schwach bis gar nicht wachsen können. Außerdem ist keine technologische Revolution erkennbar, die ein starkes Wachstum befördern könnte (Internet, erneuerbare Energien, Bio- und Nanotechnologie sind diesbezüglich börsentechnisch abgehakt.)

 

Damit reichten die Nachrichten aus USA und China aus, die Zittrigen davon zu überzeugen, dass die noch gestern vertretene Position, dass das zahlreich vorhandene Geld gar nicht anders kann, als an der Börse nach Rendite zu suchen und dass daher die Kurse steigen werden, über Bord zu werfen. Kostolany hat einmal auf die Frage "90 Prozent der Umsätze werden von Fondsmanagern und institutionellen Anlegern getätigt, sollen das etwa auch Zittrige sein?" geantwortet: "Ja, natürlich sind das auch Zittrige. Sie sind keine Milchmädchen, aber sie verhalten sich wie diese. Sie laufen der Masse hinterher und haben weder das G für Gedanken noch das G für Geduld."

 

(Das Konzept der 2 Anlegerkategorien bei Kostolany - Zittrige und Hartgesottene - ist schon allein das Lesen des Buches wert. Hartgesottene Anleger verfügen über die 4 G: Geld, Gedanken, Geduld und Glück. Vielleicht dazu später in diesem Blog mehr.)

 

Für mich als antizyklisch ausgerichteten Privatanleger sind damit 3 Erkenntnisse wichtig:

 

- Die jüngste Korrektur wurde von kurzfristig ausgerichteten institutionellen Anlegern verursacht, die einer Geldverknappung und der Wirkung von Zinssteigerungen zuvorkommen wollen. Der Anstieg der Börsenkurse in den letzten Monaten erfolgte mit relativ geringem Volumen, der Monat Juni (während der Korrektur) hatte demgegenüber ein erhöhtes Handelsvolumen, siehe: 

http://www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/boerse-inside/us-boersen-anleger-handeln-wie-wild/8422984.html

- Es mangelt an Phantasie bzgl. der zukünftigen Kursentwicklung und die mittelfristigen Wachstumsmöglichkeiten werden gering eingeschätzt, einerseits weil China schwächelt und andererseits, weil man der gängigen Theorie aufgesessen ist, dass bei einer Verschuldung jenseits von 90% BIP das Wachstum gering ausfallen muß. Diese Theorie ist aber genauso Unsinn, wie die Theorie das große Banken das Finanzsystem stabilisieren und nicht jedes Unternehmen hängt hauptsächlich von China ab.

Siehe dazu auch dieser Link: http://www.welt.de/wirtschaft/article115400131/Europas-Sparpolitik-sitzt-boesem-Rechenfehler-auf.html

- Waren im Rückblick auf die letzten Monate v.a. Dividendenwerte sehr gesucht, wird es im 2.Halbjahr 2013 v.a. darauf ankommen, Werte zu finden, die Wachstum vorweisen können, das nachhaltig ist und wenig von China/Japan abhängt. Damit erachte ich auch Nebenwerte interessanter als Blue Chips, die stärker international ausgerichtet und tätig sind.

 

Insofern überrascht es sicher nicht, dass ich trotz der herrschenden Unsicherheit einige langfristige Käufe für das Depot getätigt habe und ich möchte auch darauf hinweisen, dass die obigen Schlußfolgerungen auch komplett daneben liegen können. Wie sagte doch Kostolany: "Verlieren gehört dazu." und "Zuerst kommen die Schmerzen, dann das Geld."

 

Erfolgreiche Geschäfte und noch ein schönes Wochenende,

Covacoro