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Bye Bye Big Blue


Es gibt verschiedene Arten, ein Investment zu beenden. Manchmal braucht man einfach gerade mehr Geld als auf dem Konto ist und löst eine der am wenigsten aussichtsreichen Positionen im Depot auf. Manchmal ist die Investmentthese voll aufgegangen und der Kurs hat sich so weit gesteigert, dass man die Gewinne mitnimmt. Manchmal ist es voll danebengegangen (was wir Valueinvestoren versuchen möglichst zu vermeiden) und man muss Schadensbegrenzung betreiben.

Und manchmal hat sich nicht viel getan und man hat auch nicht viel Geld verloren, aber erkennt dass die Investmentthese falsch war oder durch geänderte Bedingungen falsch geworden ist.

Ich habe meine IBM-Aktien, nachdem ich etwa drei Jahre lang Aktionär war, zu rund 120 € verkauft. Das ist ein Verlust von 30€ je Aktie, dem auf der anderen Seite Dividenden von weniger als 15 € gegenüberstehen. Trotzdem denke ich, dass es ein guter Zeitpunkt für den Verkauf ist. Was ist der Grund dafür? Meine ursprüngliche These war folgende: IBM hat zwar auf der Umsatzseite gegenwärtig Probleme, aber die Gewinne könnten sich durch den Wandel zu Software und Datenverarbeitung (weniger kapitalintensiv und gut skalierbar) trotzdem erhöhen. Die Firma war eine der günstigsten großen Unternehmen auf dem Markt und hat zudem massiv Aktien zurückgekauft. Außerdem habe ich viel Hoffnung darauf gesetzt, dass IBM Zukäufe durch sein exzellentes Vertriebsnetzwerk sehr schnell in neue Dimensionen führen und damit auch schnell amortisieren kann. Und letztendlich sah ich den Bereich Data Science und künstliche Intelligenz als das mögliche neue Kerngeschäft – und der Markt dafür nimmt gerade erst richtig Fahrt auf. Warren Buffet hatte übrigens keinen Einfluss auf die Entscheidung, ich habe erst beim schreiben der Analyse überhaupt mitbekommen dass er auch gerade eingestiegen war.

Was hat sich geändert?

Ich bin inzwischen nicht mehr in der Uni, sondern im Arbeitsalltag angekommen. Und da arbeite ich als Data Scientist und damit in genau dem Bereich in dem ich IBMs Zukunft am ehesten gesehen habe. Mir ist recht beld aufgefallen, dass IBM in meinem Arbeitsalltag in keiner Weise eine Rolle spielt. Nicht nur dass wir keine Produkte von IBM nutzen, wenn es um neue Algorithmen und Lösungsansätze geht trifft man stattdessen überall auf die entsprechenden Abteilungen von Facebook (vor allem stark in semantischer Text- und Bilderkennung) und Google (stark in ziemlich allem was künstliche Intelligenz und neuronale Netze angeht, und mit TensorFlow und entsprechenden Cloudangeboten mit TPUs sowie interessanten Forschungspapers auch einer der Taktgeber). Mit dem sogar Google überlegenen automatischen Übersetzer DeepL zeigt sogar eine kleine deutsche Firma dass man in anspruchsvollen Bereichen schnell vorne dabei sein kann – nur IBM Watson lässt wenig von sich hören was nicht Marketinggetöse ist. In der Tat sieht es aus, als ob IBM keine besonders attraktiven oder technisch fortgeschrittenen Werkzeuge verkauft, sondern eher das gleiche wie anderswo verkauft, aber den doppelten Preis haben will. Dieser lesenswerte Bericht der WiWo bestätigt das ziemlich gut: Es scheint dass selbst die Kunden die IBM in Pressemitteilungen als Beweis seiner Stärke feiert mit Watson unzufrieden sind und wieder kündigen. Dazu passt, dass inzwischen nicht einmal mehr die von IBM selbst auserkorenen Zukunftsfelder so wachsen wie sie sollten.

IBM verkauft Watson ja als eine Art künstliche Intelligenz, als eine Maschine die man nur mit Daten füttert und die selbständig Antworten liefert. Technisch würde ich mir so etwas als ein riesiges Auto-MachineLearning Framework vorstellen, das mit seiner Erfahrung über die Struktur der Daten und mit seiner Rechenpower die richtigen Algorithmen und Scores auswählt, ausprobiert und am Ende je nach Anforderung mal eine Regression, mal ein tiefes neuronales Netz oder Random Forest mit den richtigen Hyperparametern auswählt, vielleicht sogar intern völlig neuartige Algorithmen laufen hat und der Konkurrenz weit voraus ist. Aber es scheint, als ob IBM intern nicht viel mehr als Standardalgorithmen hat und diese in eine nette API packt und auf großen Servern laufen lässt. Mit ein wenig Recherche dazu was denn gerade die Standardalgorithmen für das spezifische Problem sind kann man das ganze aber auch quasi umsonst bekommen. Das muss nicht schlimm sein. Auch Microsoft verkauft seit langem erfolgreich Windows und Office obwohl es mit Linux und Openoffice weitgehend gleichwertige Systeme zum Nulltarif gibt.

Allerdings ist mir aktuell nicht klar ob IBM tatsächlich liefern kann. Das Produkt ist wohl nicht schlecht, aber an der technologischen Spitze sehe ich eher Facebook und Google, an der Unternehmenskundenfront ist Microsoft Azure mit einem sehr ähnlichen Angebot und ebenfalls guten Marketingkanälen und bestehenden Kundenkontakten ein sicher ebenbürtiger Konkurrent. So halte ich für das wahrscheinlichste, dass IBM sich den Kuchen nicht zum Großteil selbst schnappen kann sondern mit anderen teilen muss. Dann ist es aber zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich eine Bewertung vorzunehmen. Dazu kommt: IBM war beim Umstieg auf die Cloud wesentlich zu langsam und hat das Feld viel zu lange Amazon und Co überlassen. Das rächt sich nun in der Form, dass vor allem Amazon zum großen Cloudanbieter geworden ist und IBM an den Rand gedrängt wurde. In der aktuellen Konstellation können sie aber Amazon nicht angreifen: Es fehlt die Größe, es fehlt aufgrund der Margenanforderung bei IBM die Möglichkeit mit aggressiven Preisen auf Kundenfang zu gehen und derweil baut Amazon seinen Burggraben immer tiefer aus. Und ob das Geschäft mit Finanzierungen und Beratung noch läuft wenn das Servergeschäft zum erliegen gekommen ist bezweifle ich stark. IBM hat sich darauf verlassen mit Daten sein Geschäft zu bauen. Sollte das nicht klappen sehe ich keine große Zukunft mehr für IBM…

Fazit: IBM ist für mich immer noch durchaus interessant – wenn sie es zumindest im Gesundheitsbereich zum bestimmenden Datenkonzern schaffen würden, sollten sie ihre aktuelle Bewertung rechtfertigen können. Auf der Zahlenseite ist die Entwicklung aber zu schwach um sie nur auf die Transformation zu schieben, es scheint auch echte Nachfrageprobleme in den selbst ernannten strategic imperatives zu geben. Dies gemeinsam mit dem Wissen dass IBM technisch zumindest nicht die alleinige Macht ist und die Wettbewerber sowie auch die kostenlosen Tools ernste Konkurrenz darstellen hat mich veranlasst IBM vorerst aus dem Depot zu streichen und auch im Wikifolio zu verkaufen. Dass der Verlust gering war (trotz der wesentlich schlechter als erwartet ausgefallenen Entwicklung) sehe ich als Erfolg der Valuestrategie: Wer billig genug einkauft hat einen guten Puffer gegenüber einem Irrtum in der Analyse. Ob ich mich wirklich eher beim Kauf geirrt habe (oder eventuell auch jetzt beim Verkauf) wird die Zukunft zeigen. Und im IT-Bereich fühle ich mich mit meinen spottbilligen Japanern im Moment auch gut aufgestellt.


Quelle: preisundwertaktienblog

International Business Machines Corp Aktie

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