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Das Durchwurschteln wird perfektioniert


Das Durchwurschteln wird perfektioniert

 

Der EU-Gipfel ist vorüber. Und hier die Ergebnisse: Der Euro-Rettungsschirm ESM darf nun auch Banken direkt - also ohne den Umweg über den Staat - mit Hilfsgeldern versorgen, um eine Erhöhung der Staatsverschuldung prekärer Euro-Länder zu vermeiden. Und die bisherigen Instrumente des Rettungsschirms, insbesondere der direkte Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt, soll zukünftig flexibler - im Klartext mit geringen Auflagen - genutzt werden. Der ESM hat jetzt de facto den Status „Ich kann alles auf Kosten der Allgemeinheit“.

 

Die Entspannung an den Finanzmärkten nach diesem vollumfänglichen Rettungsversprechen durch den ESM zeigte sich am Markt für euroländische Staatsanleihen jedoch nur kurz. So bildeten sich die Risikoaufschläge 2-jähriger Staatspapiere prekärer Euro-Länder wie Spanien und Italien zu deutschen zwischenzeitlich zwar merklich zurück. Die Freude hielt allerdings nur kurz an. Mittlerweile sind sie wieder deutlich aufwärtsgerichtet.

 

 

Wir bräuchten ein Rettungszelt, keinen Rettungsschirm

 

Denn den Finanzmärkten ist klar, dass die EU-Gipfelbeschlüsse keine nachhaltige Ruhe auf den Staatsanleihemärkten bringen werden. Denn der zur angeblichen Stabilisierung Eurolands eingesetzte Rettungsschirm ESM reicht mit einem Volumen von 500 Mrd. Euro im Ernstfall nicht aus, um die Situation in Euroland in vollem Umfang zu beruhigen. Nach Abzug der Hilfsgelder für den spanischen (100 Mrd. Euro) und zypriotischen (10 Mrd.) Bankensektor sowie der möglichen Kosten der nachzuverhandelnden Griechenland-Hilfen (16 Mrd.) bleiben bereits jetzt nur noch 374 Mrd. Euro des Rettungsschirms übrig.

 

In der Eurozone werden die Finanzierungs-Baustellen nicht weniger, sondern mehr. So dürften spanische Banken im Zuge der anhaltenden Bereinigung der durchschnittlich noch viel zu hohen spanischen Immobilienpreise weit mehr finanzielle Unterstützung benötigen als die offiziellen Schätzungen offenbaren. Ernsthafte Prognosen spanischer Immobilienmakler gehen davon aus, dass die Preise teilweise noch 50 Prozent zu hoch sind. Klar muss allen Beteiligten sein, dass eine Krisenbewältigung in Spanien erst mit dem Fall der Hauspreise einsetzen kann. Auch in den USA konnte die Bewältigung der Immobilienkrise erst mit sinkenden Preisen - in der Wirtschaftswissenschaft konstruktiver Verfall genannt - beginnen. Nicht vergessen werden darf dabei, dass auch in anderen Euro-Ländern prekäre Immobilienlandschaften vorhanden sind. Schon aus dieser Perspektive ist ersichtlich, dass der Rettungsschirm schnell zum Rettungsknirps werden wird.

 

Zwar könnte den Banken Unterstützung derart zuteil werden, dass der ESM durch den Aufkauf von nationalen Staatspapieren für stabilere Kurse bei Staatsanleihen prekärer Länder sorgt. Immerhin haben die Banken diese Papiere mehrheitlich im Eigenbestand. Man sollte sich allerdings vor Augen führen, dass die EZB zur Stabilisierung der Staatsanleihemärkte seit Mai 2010 bereits 210 Mrd. Euro aufgewendet hat. Offensichtlich konnte sie damit den Renditeanstieg dieser Länder nicht wirklich eindämmen. Für den Ernstfall eines spanischen Antrags auf vollumfängliche Euro-Hilfen - dann wäre es auch nur eine Frage der Zeit, bis auch Italien anfragt - wären die Mittel des ESM schnell aufgebraucht.

 

 

Wie viel Wachstum brauchen Italien und Spanien?

 

Dieses Risiko der Inanspruchnahme ist nicht von der Hand zu weisen. Bei Betrachtung der Finanzsituation der Länder ist die mangelnde Schuldentragfähigkeit von Italien und Spanien klar ersichtlich. So müsste die spanische Wirtschaft - unter der Annahme, dass sie sich nachhaltig zum aktuellen Zinsniveau refinanzieren müsste - in diesem Jahr um vier und im nächsten um 3,6 Prozent wachsen, um den aktuellen Schuldenstand halten zu können. Für Italien liegen diese Werte mit 4,5 in diesem und ca. 3,9 Prozent im nächsten Jahr noch höher. Diese Wachstumsraten sind völlig unrealistisch. Zum Vergleich: Insbesondere Deutschland könnte sich sogar einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung leisten, ohne - bei Refinanzierung zum aktuellen Fünf-Jahres-Durchschnittszinssatz von 0,36 Prozent - seinen Schuldenstand erhöhen zu müssen.

 

Insofern ist eine weitere Aufstockung des Rettungsschirms - verbunden mit einer deutlichen Verschärfung der politischen Euro-Krise und einer klaren Untergrabung der Bonität des Geberlandes Deutschland - absehbar. Als erste Gegenmaßnahme ist es unabdingbar, dass die angeschlagenen Euro-Staaten ihre Wettbewerbsfähigkeit über eine Verbesserung der Standortqualitäten - also durch die konsequente Umsetzung von Strukturreformen - verbessern, um langfristig über Wirtschaftswachstum auch wieder Schuldentragfähigkeit zu erwerben. Diese Prozesse brauchen naturgemäß viel Zeit.

 

 

Die beste Krisenlösung hat drei Buchstaben

 

Die Zeit hat die Eurozone nicht mehr, zumal der Eindruck besteht, dass die Reformbemühungen in einigen Euro-Ländern deutlich gegenüber der deutschen Agenda 2010 abfallen. Daher bleibt der EZB nichts anderes übrig, als Feuerwehr an den euroländischen Staatsanleihemärkten zu spielen. Im Gegensatz zu dem von der Euro-Politik auserkorenen, zukünftig alles rettenden Rettungsschirms ESM besitzt sie den entscheidenden Vorteil, als Zentralbank de facto über unbegrenzte Liquidität zu verfügen, während beim ESM das Rettungsvolumen auf insgesamt 500 Mrd. Euro beschränkt ist. Daneben besitzt sie eine ausreichende Expertise in punkto Staatsanleihen, die man der Euro-Politik nicht ohne Weiteres zutraut und die diese in den letzten zwei Jahren auch nicht unbedingt gezeigt hat. Nicht zu vergessen ist die Unabhängigkeit der EZB, die sie ohne politische Kritik oder Beeinflussung in die Lage versetzt, dass zu tun, was sie für die Stabilisierung der Eurozone als richtig erachtet.

 

Ohnehin soll sie laut Gipfelbeschluss die Rolle als Oberaufseher der Banken in der Eurozone erhalten. Bereits jetzt ist sie die Feuerwehr der euroländischen Finanzmärkte. Reagiert die EZB aber im Moment nur auf akute Brandherde, so wäre sie als zentrales Kontrollorgan der Banken in der Lage, erstens nicht nur Brandherde bei Banken schon vor deren Ausbruch zu erkennen und vor allem zweitens frühzeitig mit der Sicherstellung der entsprechenden Liquiditätsversorgung entgegenzusteuern.

 

 

Weltwirtschaft im Zeichen der Euro-Krise

 

Mittlerweile schlägt sich die Unsicherheit der weiteren Entwicklungen in Euroland auch auf die realwirtschaftliche Stimmung nieder. Eine klare Stimmungseintrübung ist erkennbar.

 

So fällt in China der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf 50,2 Punkte zurück - er liegt somit nur noch knapp im Expansion anzeigenden Bereich über 50 - und signalisiert damit mehr Gegenwind für die chinesische Wirtschaft. Das drückt auch auf die Stimmung in der exportlastigen deutschen Wirtschaft, die in China mittlerweile bedeutende Exportanteile besitzt. Der ifo Geschäftsklimaindex ist bereits deutlich abwärts geneigt. Eine Rezession in Deutschland wird es aber nicht geben.

 

Und auch die US-Wirtschaft zeigt sich anfällig für Ansteckungseffekte. Die Stimmung in der US-Industrie ist mit einem Wert von 49,7 auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren zurückgefallen. Besonders dramatisch ist der Stimmungseinbruch beim Teilindex „Neuaufträge“. Er fiel von 60,1 im Vormonat auf aktuell 47,5. Die Auftragseingänge in der US-Industrie haben zwar noch positive Zuwachsraten, diese sind aber bereits seit Monaten rückläufig.

 

 

Im Falle eines Falles rettet die Geldpolitik wirklich alles

 

Allerdings kann sich die Weltwirtschaft der Unterstützung der internationalen Notenbanken gewiss sein. So hat die Bank of England diese Woche ihr Anleiheaufkaufprogramm um 50 Mrd. auf nun insgesamt 375 Mrd. Pfund erweitert. Weitere Potenziale werden bereits diskutiert. Angesichts der schwächeren Wirtschaftsstimmung, die sich insbesondere in deutlich nachlassenden Neuauftragserwartungen äußert, senkte auch China seinen Notenbankzins den zweiten Monat in Folge auf nun 6 Prozent. Sollten die Risiken eines konjunkturellen Abschwungs wie schon im Krisenjahr 2008 weiter zunehmen, wird die expansive Geldpolitik fortgesetzt.

 

Auch die EZB senkte ihren Leitzins - als Grund werden die sich deutlich eintrübende Stimmung im euroländischen Verarbeitenden Gewerbe sowie der offiziell nachlassende Inflationsdruck genannt - auf ein Rekordtief von 0,75 Prozent. Nachhaltige Impulse für die Realwirtschaft sind aber kaum zu erwarten, schließlich kommt man insbesondere der krisengeplagten Euro-Peripherie schon seit Jahren mit negativen realen Notenbankzinsen entgegen. Die typischen Keynesianische Investitions- und Liquiditätsfallen lassen sich in Euroland gut beobachten.

 

Zur Stimulierung der Realwirtschaft hat die EZB gleichzeitig den Zinssatz für Übernacht-Einlagen bei der EZB - Banken parken ca. 791 Mrd. Euro bei der EZB - auf nun Null Prozent gesenkt. Das Kalkül der EZB ist, dass es sich die Banken zweimal überlegen werden, ob sie ihr Geld unrentabel bei der EZB parken oder an andere Banken, Unternehmen oder Private in Form kurzfristiger Kredite vergeben oder in Sachkapital investieren. Denn bislang ist das Wachstum für Kredite an die euroländische Realwirtschaft viel zu schwach, um die Wirtschaft wirklich zu stützen.

 

 

Die EZB hat noch Pfeile im Köcher

 

Sollte die Trendumkehr allerdings aufgrund der unverkennbaren Risikoaversion der Banken auch zukünftig nicht funktionieren, ist bei einer weiteren Zuspitzung der Situation in Euroland mit erneuten, unkonventionellen, konjunkturstützenden Maßnahmen - die Vergabe weiterer Langfristkredite an Banken, die zusätzliche Lockerung der Sicherheitsanforderungen bei Vergabe von Zentralbankkrediten und schließlich der Aufkauf von Staatsanleihen - zu rechnen.

 

Die Symbolkraft der kürzlichen Zinssenkungen unmittelbar nach dem EU-Gipfel sollte nicht unterschätzt werden. Die EZB gibt damit zu verstehen, dass sie im Ernstfall für die unkonsequente Euro-Finanzpolitik in die Bresche springt und damit als einzige Institution entschlossen hinter der Euro-Rettung steht.

 

 

Das passiert in der KW 28

 

Am 10. Juli wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Klagen gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt befinden. Mit einer Erklärung, dass beide Instrumente verfassungswidrig sind, ist aber nicht zu rechnen. Vielmehr wird das Gericht weitere Auflagen erteilen.

 

In Amerika wird die US-Notenbank angesichts der vergleichsweise schwachen Stimmung im Verarbeitenden US-Gewerbe betonen, dass sie im Ernstfall nicht zögert, weitere geldpolitische Instrumente zur Konjunkturstützung einzusetzen. Die Diskussion um das Quantitative Easing 3 wird weitere Nahrung erhalten

 

In Deutschland liefern die Exportzahlen ein weiteres Indiz dafür, dass auch unsere Volkswirtschaft zunehmend unter den Auswirkungen der von der Euro-Krise ausgehenden Unsicherheit zu leiden hat.

 

Aus charttechnischer Sicht konnte der deutsche Leitindex den in den vergangenen Wochen vorherrschenden Abwärtstrend sowie den bedeutenden Widerstand bei 6450 Punkten überwinden, wodurch sich das Chartbild deutlich aufhellte. Können die Bullen den DAX nun über dem Widerstand bei 6560 stabilisieren, treten weitere Kursgewinne bis 6650 und darüber sogar 6735 in den Vordergrund.

 

Fällt der deutsche Aktienindex allerdings unter die Unterstützung bei 6500 Punkten zurück, sind Kursverluste bis hin zur Widerstandszone zwischen 6450 und 6420 Punkten wahrscheinlich. Darunter sorgt die Unterstützung bei 6310 Punkten für Halt.

 

Die Aktienmärkte sind zwischen Konjunktursorgen und politischer Euro-Krise einerseits und der intensivsten geldpolitischen Unterstützung aller Zeiten andererseits hin und her gerissen. Die ungebremste, geldpolitische Mobilmachung - auch seitens der EZB - macht es sogar möglich, den DAX bis zum Jahresende auf 7000 steigen zu lassen, auch wenn das fundamentale Umfeld dies weniger nahe legt.

 

 

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de
 

 

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