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Hat Europa Italien verloren?


Die Italiener haben gewählt und das Ergebnis zeigt deutliche Wirkung auf den Finanzmärkten. Mit dem Ausgang der Wahl in Italien droht dem drittgrößten Euroland nach Deutschland und Frankreich die Unregierbarkeit und die Märkte reagierten umgehend auf die Hängepartie.

Fast drei Cent verlor der Euro gestern gegenüber dem US-Dollar und aktuell ziehen die Renditen für italienische Staatsanleihen deutlich an, ebenso wie die Renditen anderer krisengeplagter Länder in Europa. Um 10:00 Uhr notierten die Renditen für zehnjährige italienische Staatsanleihen 0,36 Prozentpunkte höher, auf rund 4,74 Prozent. Die Rendite portugiesischer Zehnjähriger kletterte auf 6,51 Prozent, nach 6,20 Prozent am Vortag. Spanische zehnjährige Staatsanleihen rentierten mit 5,61 Prozent, nach 5,41 Prozent am Vortag. Die Rendite deutscher Anleihen hingegen sank leicht von 1,58 Prozent auf 1,48 Prozent. Insgesamt ist im Bereich der Anleihen nach der Wahl in Italien wieder eine Umschichtung von den schwachen Euroländern zum vermeintlich „sicheren Hafen“ zu beobachten.

Die Aktienmärkte reagierten am heutigen Morgen europaweit mit deutlichen Abschlägen, so verlor der Euro Stoxx 50® zum Auftakt gut 2 Prozent und der italienische Aktienindex FTSE MIB zeigte sich mit einem Minus von knapp 5 Prozent besonders schwach.

Vielfach wird der Ausgang der Wahl in Italien als Bedrohung für Europa gesehen. Zwar erreichte nach derzeitigen Hochrechnungen das Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani mit einer hauchdünnen Mehrheit das Abgeordnetenhaus. Im Senat, der zweiten gleichberechtigten Kammer scheint es derzeitig noch nicht klar, ob Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis stärkste Kraft wird oder ob auch hier Bersani einen knappen Sieg davon tragen konnte. Sicher ist jedoch, dass Bersani selbst im Falle einer Koalition mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Mario Monti nicht die Mehrheit im Senat gewinnen kann. Zu groß sind die Anteile, die die Anti-Parteien-Bewegung des Ex-Komikers Grillo auf sich vereinigen konnte. Im Senat entfallen auf die Protestbewegung Grillos rund 24 Prozent der Wählerstimmen, im Abgeordnetenhaus 25,5 Prozent. Bersani stünde als möglicher neuer Ministerpräsident damit grundsätzlich vor dem Problem, den von ihm angekündigten Reformkurs nicht sicher durchsetzen zu können, da seine Vorhaben auch durch den Senat abgesegnet werden müssten.

Folglich waren bereits wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der vorläufigen Wahlergebnisse erste Stimmen zu hören, die für Neuwahlen plädierten. Mit der ihm eigenen Raffinesse offenbarte daraufhin heute Ex-Ministerpräsident Berlusconi in einem Fernsehinterview, dass er eine Neuwahl nicht für sinnvoll halte. Italien dürfe nicht unregiert bleiben, prokamierte er und bot die Zusammenarbeit mit dem gegnerischen Mitte-Links-Bündnis an. Bedingungen für eine derartige Koalition nannte Berlusconi bisher noch keine, verdeutlichte jedoch, dass aus seiner Sicht alle Seiten Opfer bringen müssten. Eine Koalition mit dem Zentrumsbündnis des scheidenden Ministerpräsidenten Mario Monti lehnte er grundsätzlich ab und argumentierte, dass das schlechte Abschneiden von Monti zeige, dass ein Großteil der Bevölkerung den von Monti favorisierten Sparkurs nicht wolle.

Mit seinem Fernsehauftritt positioniert sich Berlusconi geschickt für verschiedene Alternativen. Eine Mindestbeteiligung an der Regierung fordert er prinzipiell ein, neben dem Machterhalt bietet sich ihm so vielleicht auch die Chance, dem drohenden Urteil der Justiz zu entkommen. Gleichzeitig positioniert er sich bereits für eine mögliche Neuwahl. Indem er seinem deutlichsten Gegner symbolisch die Hand reicht, gleichzeitig jedoch Opfer im Rahmen des Deals einfordert, versucht er in seinem üblich populistischen Stil die italienischen Wähler für sich zu gewinnen, denen er im Wahlkampf umfassende Steuererleichterungen versprochen hatte.

Wie man es auch drehen und wenden mag, Italien scheint verloren, zumindest für Europa. Die Stimmen der Italiener zeigen deutlich den Willen der Abkehr von Europa und der damit verbundenen Sparpolitik. Die Mehrheit der Italiener will den Weg des Wirtschaftsprofessors Mario Monti mit seiner Sparpolitik nicht mehr weitergehen. Nur 10 Prozent der Stimmen fürs Abgeordnetenhaus und 9 Prozent für den Senat konnte Monti auf sich vereinen.

Berlusconi kümmerten die steigenden Schulden Italiens in seiner fast zehnjährigen Regierungszeit wenig und seinen Nachfolger Monti verurteilte er populistisch wegen seiner „deutschlandzentrierten Sparpolitik“.

Bersani stellte im Vorfeld der Wahlen zumindest die Lockerung der Sparpolitik in Aussicht. Der Wirtschaftssprecher seiner Partei, Stefano Fassina, hingegen lehnte das gesamte Sparprogramm ab und forderte stattdessen die Ankurbelung des Wachstums, mit staatlichen Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Und Bersanis Koalitionspartner Nichi Vendola, der die linksradikale Formation Sinistra, Ecologia, Libertà (Linke, Ökologie, Freiheit) anführt, äußerte sich im Vorfeld der Wahlen ebenfalls entschieden gegen die EU-weite Sparpolitik.

Unter dem radikalen Oppositionellen Beppe Grillo wäre eine durch die EU gesteuerte Sparpolitik ebenfalls kaum vorstellbar. Grillo, der als Überraschungsgewinner der Wahl in Italien gesehen werden kann, propagierte vor der Wahl, „Das italienische Volk wird in einem Referendum entscheiden, ob wir in der Euro-Zone bleiben oder nicht.“

Wenn sich als Ergebnis aus der Wahl das Votum der Italiener gegen die europäische Sparpolitik ableiten lässt, was naheliegend scheint, stehen Europa schwere Zeiten bevor. Es droht eine unmittelbare Aktualisierung der Eurokrise, die schnell auf ein neues Niveau gehoben werden könnte. Ein Niveau, auf dem wir dem Zerfall der Währungsunion einen deutlichen Schritt näher gekommen sind.

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Seit 1986 beschäftige ich mich mit Wertpapieren. Dabei habe ich vor allem im Bereich der Derivate eine Menge Erfahrungen sammeln können.

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