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Heibel-Ticker Kommentar: Wirecard Insolvenz - Überregulierung tötet Intelligenz


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Aus meiner Ausgabe vom Freitag 26. Juni

Keine zweite Branche beherbergt so viel Gier wie die Finanzbranche. Nach dem Platzen der Internetblase nach der Jahrtausendwende, dem Neuer Markt Skandal und der Finanzkrise 2009 wurden immer strengere Vorschriften erlassen, um das Finanzsystem zu zügeln, um Anleger zu schützen und um die Gier zu kontrollieren. Ich habe eine Reihe von intelligenten Menschen kennen gelernt, die in diesem Umfeld über die Last der Vorschriften klagten und sich anderen Berufsfeldern zuwandten. Wenn die Arbeit zu einem größeren Teil darin besteht, Formulare auszufüllen, als sich Gedanken zu machen, dann zieht dieses berufliche Umfeld nicht gerade intelligente Freidenker an - im Gegenteil.
 
Im Fall Wirecard gab es jede Menge Warnsignale, doch jedes Warnsignal wurde in den dafür vorgesehenen bürokratischen Weg gegeben und verschwand auf diese Weise aus den Schlagzeilen. Fragezeichen zum Geschäftsmodell der Wirecard gibt es seit mindestens 10 Jahren. Ich selbst habe damals mehrere Tage Research in Vorwürfe gegenüber Wirecard gesteckt, rang mich am Ende jedoch nur zu einer kleinen Randbemerkung durch (Kapitel 04 in https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/652). Schon damals war in der Branche bekannt, dass Wirecard gerne jeden verklagt, der sich negativ gegenüber dem Unternehmen äußert, ich erhielt im Rahmen meiner Recherche entsprechende Warnungen von befreundeten Geschäftspartnern.
 
Schon damals stand der Vorwurf im Raum, dass die hohe Profitabilität des Unternehmens nicht in die Branche passe. Damals wurde ein Glücksspielring zerschlagen, da mit Hilfe von fingierten Gewinnausschüttungen Geldwäsche betrieben wurde. Die Geldströme liefen über das Wirecard-Netzwerk. Die Vermutung lag nah, dass Wirecard eine für Banken stark regulierte Bankdienstleistung automatisierte und als FinTech-Unternehmen nicht den Bankauflagen unterlag. Auch ohne den Vorwurf der Geldwäsche war es plausibel, dass Schmuddelbranchen (Online-Casinos, Pornoseitenbetreiber) gerne höhere Gebühren für Bankdienstleistungen zahlten, wenn eine unkomplizierte (nicht nur automatisiert, sondern auch wenig reguliert) Abwicklung geboten wird.
 
Wenn das schon damals bekannt war, warum wurde Wirecard nicht schon damals als Bank unter die BaFin gestellt? Derzeit wird diskutiert, warum die BaFin diesen Schritt nicht schon im Jahr 2017 vollzog, mich würde jedoch interessieren, warum nicht schon 2010? Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WP) EY (Ernest & Young), eine der vier größten WPs der Welt, hat Jahr für Jahr den Jahresabschluss von Wirecard abgenickt. Auch die Halbjahresbilanz 2018 sowie die Jahresbilanz 2018. Nachdem die Vorwürfe der Financial Times bekannt wurden, hat die BaFin den Aufseher der WPs beauftragt, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen.
 
Ja, auch die Wirtschaftsprüfer unterliegen einer Kontrollinstanz: Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung in Berlin, DPR. Ich selbst habe mich mal an diese Institution gewendet, als ich meinen Börsenbrief noch mit einem Partner betrieb. Mein Partner war nur Geldgeber und er ließ mir durch einen Wirtschaftsprüfer vorrechnen, dass mein Geschäftsmodell wertlos sei. Ich habe dem Wirtschaftsprüfer meine Rechnung vorgelegt, die ein völlig anderes Ergebnis zeigte, und ihn um Stellungnahme gebeten - die erfolgte nicht. Daraufhin habe ich mich über diesen Wirtschaftsprüfer in Berlin beschwert.
 
Der Fall wurde aufgenommen, ich erhielt einen Anruf aus Berlin, in dem ich darüber aufgeklärt wurde, entweder den rechtlichen Weg zu beschreiten, oder aber die Sache zu vergessen. Sprich: Die Berliner wollten nicht tätig werden. Das ist nur eine Erfahrung, die ich mit Wirtschaftsprüfern gemacht habe. Und es ist einer der Gründe, warum ich kein gutes Haar an dieser Branche lasse. Das Ergebnis der Geschichte: Ich habe neu angefangen und betreibe den Heibel-Ticker heute allein, muss mich also nicht mit einem querulanten Partner arrangieren. Dass meine Rechnung richtig war, und nicht die des Wirtschaftsprüfers, zeigen mir meine Jahresabschlüsse der vergangenen 10 Jahre. Eigentlich müsste ich den Berlinern dankbar sein ;-).
 
Zurück zur Wirecard: Dem Hinweis durch die BaFin, der Sache auf den Grund zu gehen, wurde nachgegangen. Es wurde ein Fall eröffnet, die Untersuchungen sind bis heute nicht abgeschlossen - wie mein Fall übrigens auch. Die BaFin hat die Vorschriften erfüllt und den Verdacht an die dafür zuständige Stelle gemeldet. Der eigene Kopf wurde nicht eingeschaltet. Die DRP hat die Vorschriften erfüllt und eine entsprechende Untersuchung eröffnet. Es gibt niemanden, der einen Fehler gemacht hat, denn überall in den Institutionen sitzen Juristen, die sich genau mit der Befolgung von Regularien auskennen - dabei fällt mir ein, dass auch an der Spitze der EZB inzwischen eine Juristin sitzt.
 
Seit vor einer Woche 1,9 Mrd. Euro in der Bilanz von Wirecard gesucht werden, sprießen nun die Berichte wie Pilze aus dem Boden: Ich habe es doch immer schon gewusst, ist der Tenor. Kein Wunder, viele waren zuvor durch die latent im Markt bekannte Drohung des Unternehmens, jeden zu verklagen, der negativ über das Unternehmen schreibt, zum Schweigen gebracht worden. Auch ich habe mich zurückgehalten. Warum sollte ich mir Feinde schaffen, wenn ich anschließend vor Gericht von Juristen auseinandergenommen werde? Hier wären Juristen erforderlich gewesen. Wir brauchen Juristen in unserer Gesellschaft. Doch nicht, um Vorschriften in fachfremden Positionen zu erfüllen, sondern um Vergehen aufzudecken.
 
Das Geschäft der Wirecard wuchs über die Jahre exorbitant an. Trotz meiner Erfahrung mit Wirtschaftsprüfern flößten mir die Testate von EY für Wirecard Vertrauen ein. Ich dachte mir, dass ich da wohl mal einen grauen Fleck im Geschäftsmodell der Wirecard entdeckt haben könnte, dass dieser graue Fleck jedoch vor dem Hintergrund des exorbitanten Wachstums des Unternehmens heute nicht mehr charakteristisch für das Hauptgeschäft von Wirecard sein dürfte.
 
Spätestens seit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga, den DAX, zweifelte ich an der Bedeutung meiner damaligen Fragen. Ein DAX-Konzern kann doch nicht ein Geschäftsmodell betreiben, das nur in der Schmuddelbranche Geld verdient. Stimmt, muss ich sagen: Zu den Kunden von Wirecard gehören Aldi, Lidl und viele andere Einzelhändler mit sauberem Geschäft. Der Fehler in den Überlegungen war „Geld verdienen”. Wirecard wies stets Gewinne aus, doch in Wirklichkeit wurden stets Verluste erwirtschaftet. Auf den Seiten von Finanz-Szene.de (https://finanz-szene.de/payments/warum-wirecard-pleiteging-hier-kommt-die-rechnung/) wird vorgerechnet, dass Wirecard vermutlich seit 10 Jahren kontinuierlich Verluste erwirtschaftet hat, durch Bilanztricks jedoch stets Gewinne auswies.
 
Kurz gesagt: Wirecard bietet nichts als Standard-Bankdienstleistung zu günstigen Konditionen an und gibt vor, damit auch noch Gewinn zu machen, häufte jedoch in Wirklichkeit über die Jahre immer größere Schuldenberge auf. So zumindest lautet mein Fazit zum derzeitigen Kenntnisstand. Schneller als sich das irgendjemand vorstellen konnte, ist das Unternehmen vom gefeierten FinTech-Star in die Insolvenz gerutscht. Das Geschäftsmodell entpuppt sich als nicht tragfähig. Schulden können also nicht zurückgezahlt werden. An einer Rettung oder Übernahme hat kaum jemand Interesse, da es eben - anders als über Jahre behauptet - nichts weiter als eine Standard-Bankdienstleistung ist, was Wirecard entwickelt hat.
 
Deutschland läuft den USA um 5-10 Jahre hinterher, hieß es früher immer. Ich würde nun sagen: 19 Jahre trifft es besser. Im Jahr 2001 war die ENRON-Pleite, die hinsichtlich Dimension und krimineller Energie bis hin zur Naivität vieler Beteiligten an Wirecard erinnert. Wir haben nun unseren eigenen ENRON-Skandal und werden in den kommenden Monaten Vorschriften und Institutionen hinterfragen müssen. Der politische Begriff für so etwas lautet: „Systemversagen”. Ich würde weiter gehen und sagen: Gut gemeint ist nicht gut gemacht, Überregulierung tötet Intelligenz und verhindert somit inhaltlich verantwortungsvolles Handeln.
 
Das Fazit, das Finanzminister Scholz heute zog: "Wir brauchen mehr Regulierung". 
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Ich bin als Börsenprofi seit über 20 Jahren erfolgreich als Börsenbrief Autor aktiv. Ich gebe mit meinem Heibel-Ticker einen wöchentlichen Einblick in die aktuelle Finanzwelt. Privatanleger profitieren von meinen verständlichen Analysen, fundierten Kenntnissen und meiner unabhängigen Meinung. Ich analysiere international, biete diversifizierte Empfehlungen und arbeite stets aktuell und druckfrisch.

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