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Prognosebörsen im Praxiseinsatz für Volkswirtschaft und Unternehmen


Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich ein großer Anhänger von Vorhersagemärkte bin. So hatte ich vor einem Jahr über “Vorhersagebörsen als relevante Prognoseinstrumente” geschrieben. Auf Vorhersagemärkte oder Prognosebörsen werden Erwartungen auf bestimmte klar definierte Ereignisse wie an einer Börse gehandelt. Wie der Aktienkurs die Meinung der Marktteilnehmer über den Wert eines Unternehmens widerspiegelt, zeigt der Preis auf einem Vorhersagemarkt die Erwartungen der Marktteilnehmer auf das Eintreten eines bestimmten Ereignisses.

Das Handelsblatt hat vor zwei Wochen die Prognosebörse EIX gestartet. Hier kann jeder interessierte Bürger Konjunkturerwartungen handeln (mehr dazu unter “Handelsblatt plant Prognosebörse”). Die Zeitung selbst ist zufrieden mit der Premiere, wie Dorit Heß in einem Blogbeitrag schreibt: 

“Fast wäre es ein Volltreffer geworden, direkt zur Premiere der Handelsblatt Prognosebörse. Fast. Einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 0,8 Prozent traute die Masse der deutschen Wirtschaft zu – 0,7 Prozent legte sie tatsächlich zu, haben die Wiesbadener Statistiker berechnet. Revisionen sind im Amt nicht ausgeschlossen, ein Volltreffer der Prognostiker damit letztlich auch nicht.”

Die Seite mit dem Überblick über die Konjunkturindikatoren gibt es hier. Der Weg über Prognosebörsen die klassischen volkswirtschaftlichen Prognosen zu ergänzen, geht in die richtige Richtung und ist ein deutlicher Fortschritt. Möglicherweise hätte die durch die Ursachen der Finanzkrise durch Prognosemärkte wesentlich früher erkannt werden können. Aber dies ist natürlich reine Spekulation

Vorhersagemärkte für Unternehmen

Aber Prognosebörsen sind nicht nur dazu geeignet, Konjunkturindikatoren und Wahlergebnisse (siehe Wahlbörsen schlagen Forschungsinstitute) vorauszusagen. Sie werden mittlerweile auch in der Unternehmenspraxis eingesetzt. So werden unternehmensinterne Prognosemärkte eingesetzt, etwa zukünftige Umsätze, Preisentwicklungen, Verhalten von Konkurrenten oder Innovationen zu prognostizieren. So werden deutlich bessere Ergebnisse als durch sogenannte Expertenschätzungen erzielt. Über Beispiele berichtete das Handelsblatt bereits vor drei Jahren:

“Beispiel Siemens: Mit einer Prognosebörse verfolgte das Unternehmen, ob ein von oben vorgegebener Zeitplan für ein Software-Entwicklungsprojekt einzuhalten war. Die Chef-Etage rechnete noch einen Monat vor dem ursprünglich geplanten Ende mit einer pünktlichen Fertigstellung – tatsächlich kam es zu erheblichen Verzögerungen. Und die Prognosebörse signalisierte frühzeitig das tatsächliche Ende recht genau. Die Mitarbeiter hatten beim Handel ihrer Erwartungen neue Informationen und Gerüchte eingepreist, lange bevor diese der Leitung bekannt waren.

Mit einer Prognosebörse verfolgte das Unternehmen, ob ein von oben vorgegebener Zeitplan für ein Software-Entwicklungsprojekt einzuhalten war. Die Chef-Etage rechnete noch einen Monat vor dem ursprünglich geplanten Ende mit einer pünktlichen Fertigstellung – tatsächlich kam es zu erheblichen Verzögerungen. Und die Prognosebörse signalisierte frühzeitig das tatsächliche Ende recht genau. Die Mitarbeiter hatten beim Handel ihrer Erwartungen neue Informationen und Gerüchte eingepreist, lange bevor diese der Leitung bekannt waren.”

Zur Qualität von Vorhersagemärkten

Wissenschaftler, die in diesem Segment forschen, zeigen sich überzeugt:

"Auf diese Weise lassen sich äußerst treffsichere Vorhersagen machen, das gilt mittlerweile als wissenschaftlich erwiesen", sagt Martin Spann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau. Spann hat als einer der ersten Wissenschaftler in Deutschland vor mehr als zehn Jahren angefangen, über Prognosemärkte zu forschen und Unternehmen bei der Umsetzung zu beraten.”

Und die Argumentation ist ebenfalls nachvollziehbar. Dazu in einem weiteren Artikel des Handelsblatts:

“Die Prognosemärkte basieren auf der Annahme, dass Hunderte Laien oft mehr wissen als ein einzelner Fachmann. Durch die Kräfte des Marktes, die die Kurse nach oben drücken oder herunterziehen, wird aus vielen Einzelmeinungen auf effiziente Weise eine Gesamtansicht aggregiert, die besser ist als der bloße Durchschnitt. Im Kern geht diese Theorie zurück auf den Ökonomen Friedrich August von Hayek, der als Erster den Markt als Mechanismus zum Auswerten von Informationen propagierte. ”

Typisch für die USA: Dort gibt es bereits eine wissenschaftliche Fachzeitschrift: “The Journal of Prediction Markets”, die sich ausschließlich mit den neuen Märkten befasst. Dort ist z.B. gerade im August ein Artikel darüber erschienen, dass der von GE Energy initiierte Ideenmarkt bessere Ergebnisse liefert, als traditionelle Methoden der Ideenfindung (siehe den Artikel hier, pdf, 23 Seiten).

Zwischen Börsen und Wetten


Ein Mangel der Vorhersagebörse des Handelsblatts, aber auch der Wahlbörsen ist, dass hier im Lande nur mit “Spielgeld” gehandelt wird und im besten Fall nur Sachpreise gewonnen werden können. Die Marktteilnehmer müssen echtes Geld investieren, wenn die Prognosegüte hoch sein soll. Nur dann haben die Marktteilnehmer und vor allem Fachleute einen echten Anreiz, “überlegene” Informationen auch wirklich zu nutzen. Renommierte Forscher von 19 amerikanischen Hochschulen hatten daher im Wissenschaftsmagazins Science gefordert, die rechtlichen Hürden für Prediction Markets zu senken. Dabei sind die USA Deutschland schon voraus. Lesern dieses Blogs dürfte der Vorhersagemarkt intrade bekannt sein. Hier werden Erwartungen zahlreicher Ereignisse gegen harte Dollars gehandelt.

Die Nähe von Vorhersagemärkten zu Glückspielen mag eine Ursache dafür sein, warum dieses Instrument in Deutschland noch nicht ernst genug genommen wird. Dabei liegt der Unterschied im Vergleich zu reinen Glückspielen auf der Hand. Die Informationen über den Ausgang eines künftigen Ereignisses sind ungleich verteilt. Einige sind besser informiert (bzw. glauben besser informiert zu sein) und können ihren Informationsvorsprung an Vorhersagebörsen zu Geld machen. Treten die gut Informierten mit Preisangeboten an den Markt, dann machen sie im Prinzip ihr bisher vertrauliches Wissen öffentlich. Daher werden die Preise an Vorhersagemärkten auch als guter Indikator für zukünftige Ereignisse angesehen. Genau genommen spiegeln sie aber nur das heutige Wissen bzw. Vermutungen über zukünftige Ereignisse wider. Der Preis, so die Theorie, bündelt die Informationen aller Marktteilnehmer. Er enthält damit sozusagen eine aggregierte Prognose.

Während die Vorhersagemärkte mit reinen Glückspielen also wenig zu tun haben, dürfte die Nähe zu Wetten unbestritten sein. Auch hier versuchen die Wetter überlegene Informationen zu Geld zu machen.

Wirtschaftsnobelpreisträger Gary Becker sieht in seinem Blog Vorhersagemärkte in der Nähe von Derivatebörsen angesiedelt. Wenn jemand einen Future auf den S&P 500 kauft, dann wettet er im Prinzip darauf, dass der durchschnittliche Aktienkurs steigt. Preisbewegungen in diesen Märkten bilden im Ergebnis auch nur die aggregierten Erwartungen der Marktteilnehmer ab.

Und wie könnte es weitergehen?

Vielversprechend klingen Weiterentwicklungen der Prognosebörsen. Dazu ebenfalls das Handelsblatt:

“Wissenschaftler wie Spann und Strumpf forschen bereits an der nächsten Generation von Informationsbörsen: Damit sollen nicht nur die Erwartungen der Mitarbeiter gesammelt werden, sondern auch ihre Ideen. "Viele Unternehmen sind so hierarchisch, dass die Ideen nicht von unten nach oben schwimmen können", sagt Spann – die Kreativität der unteren Ebenen liege bislang häufig brach.

Helfen sollen sogenannte Ideenmärkte: Dabei dürfen Mitarbeiter ihre Produktideen selbst als Aktien an die virtuelle Börse bringen. Anders als bei normalen Ideenwettbewerben, wo eine Jury entscheidet, heben oder senken hier die Kollegen den Daumen über ein neues Konzept. Wenn sie glauben, dass die Idee in der Praxis eine Chance hätte, investieren sie und holen sich die Aktien in ihr Depot. Je höher der Kurs, desto optimistischer sind also die Kollegen.”

Ein in den deutschen Beiträgen gar nicht erwähnter Aspekt, ist, dass man sich durch Vorhersagebörsen natürlich auch gegen bestimmte Ereignisse absichern könnte, wenn sie eintreten. Auf die gehandelten Erwartungen, die man sich ja auch als eine Art Aktie vorstellen kann, könnten etwa Optionen geschrieben werden. Eine hinreichende Marktliquidität vorausgesetzt, könnten sich Unternehmen so gegen Konjunkturschwankungen absichern und gleich sehen, was diese Absicherung kosten würde.  


Quelle: Blicklog


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